Biographie


Benedict Randhartinger (1802 - 1893)

Benedict wurde am 27. Juli 1802 als viertes Kind des Ehepaares Johann Georg und Anna Maria Randhartinger in Ruprechtshofen (Niederösterreich) geboren. Der Vater war der Schullehrer in dem kleinen Ort, und so können schon frühe musikalische Erfahrungen angenommen werden, war doch eine Verbindung von schulischen und kirchlichen Aufgaben (Mesner, Organist, Kirchenmusik) damals gebräuchlich. Im Alter von nur vier Jahren verlor Benedict seinen Vater; die Mutter heiratete zur Sicherung ihrer kärglichen Existenz den nachfolgenden Lehrer Johann Perl. Er unterrichtete seinen Stiefsohn unter anderem in Singen, Klavier- und Geigenspiel.

Das musikalische Talent des Kindes wurde bald erkannt; der Besuch des Wiener Stadtkonvikts, der damaligen musikalischen Eliteschule, sollte dieses Talent weiter fördern. Im Alter von zehn Jahren (1812) erhielt er eine Stelle als Hofsängerknabe und übersiedelte damit ins Konvikt (das zu diesem Zeitpunkt noch der junge Schubert besuchte). Zugleich wurde Randhartinger Schüler des Akademischen Gymnasiums. Damals ergaben sich erste Kontakte zu Schubert und dessen Bekanntenkreis.
Mit dem Stimmbruch, im Alter von siebzehn Jahren (1819), musste Randhartinger das Konvikt verlassen, erhielt aber von Hofkapellmeister Antonio Salieri weiterhin unentgeltlich Kompositionsunterricht. So konnte er seine musikalischen Studien weiterführen, und lernte überdies namhafte Persönlichkeiten aus dem Musikleben kennen. Seinen Lebensunterhalt sicherte er sich durch Privatschüler und vielleicht auch als Maler. (Mehrere Gemälde, darunter ein Selbstporträt des ca. Zwanzigjährigen, sind heute bekannt.) 1822 schrieb Randhartinger - nach unserer heutigen Kenntnis - sein erstes Werk "Gaudet chorus coelestium", das fragmentarisch überliefert ist. Gleich im folgenden Jahr wurden in der renommierten "Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode" drei Kompositionen abgedruckt: "Abendlied", "Christiane" und "Das Bäumchen". Hier trat er zum ersten Mal als Liederkomponist hervor, jenes Genre, in dem er bald berühmt werden sollte.

1825 begann Randhartinger seine Tätigkeit als Privatsekretär des Grafen Ludwig (Lajos) Széchényi, des Obersthofmeisters von Erzherzogin Sophie. Széchényi, ein Bruder des berühmten István Széchényi, besaß Besitzungen in Ungarn und ein Haus in Wien-Landstraße. Damit hatte auch der Sekretär des Grafen seinen Aufenthaltsort zwischen Ungarn und Wien zu wechseln. Das Verhältnis zu Széchényi war freundschaftlich, vermutlich trat der Adelige sogar als Mäzen des jungen Künstlers auf. Jedenfalls widmete ihm Randhartinger sein Opus 10, das "Grand Trio" für Violine, Violoncello und Klavier (1826). Der Verlag Artaria übernahm den Druck. Die Zeit als Privatsekretär ermöglichte ihm nicht nur die Komposition neuer Werke sondern ebenso vielfältige Kontakte, die sich später als nützlich erweisen sollten. Im Laufe kurzer Zeit konnte sich Randhartinger im öffentlichen Musikleben etablieren und zählte gegen 1830 zu den beliebtesten Komponisten Wiens, zu jenen also, die immer wieder in Verlagsverzeichnissen vertreten waren. Lieder und Tanzmusik waren hierbei die Schwerpunkte.
So meldete die Wiener Allgemeine Theaterzeitung am 11. Januar 1827 über eine Neuerscheinung im Verlag Sauer & Leidesdorf: "Neue Krähwinkler -Tänze", und "Moderne Liebeswalzer" von den beliebtesten Komponisten Wiens, von denen wir nur die Namen: Schubert, Lachner, Randhartinger, Leidesdorf usw. nennen dürfen." ( Zit. nach "Schubert. Die Dokumente seines Lebens." Gesammelt und erläutert von Otto Erich Deutsch mit einem Geleitwort von Peter Gülke. Erweiterter Nachdruck der 2. Auflage Leipzig 1980. Wiesbaden-Leipzig-Paris 1996, 398.)

Der glänzende Aufstieg wurde ohne Zweifel durch die Auftritte als Sänger (Tenor) erleichtert. Um sich ganz der Musik widmen zu können, strebte Randhartinger nun konsequent eine Position in der Hofmusikkapelle an. 1832 erhielt er die Stelle eines unbesoldeten Tenorsängers. (Die gesamte Organisation dieser Institution war auf einem Exspektanzsystem aufgebaut, das einen mitunter langen Weg vom "unwirklichen", d. h. unbesoldeten Wirken aufwärts bis in die höchsten, gut dotierten Ränge vorschrieb.) Seine materielle Existenz sicherte Randhartinger neben Auftritten und Komponieren mit einer Organistenstelle in der Reformierten Stadtkirche in Wien ab, die ihm jährlich knapp über 200 Gulden einbrachte. Sein künstlerischer Ruf wurde durch einzelne Konzerte erhöht, etwa, wenn die als "schwedische Nachtigall" weltberühmte Jenny Lind sein "Fischerlied" sang.
Am 11. April 1835, also noch zur Zeit der unbezahlten Anstellung bei Hof, fand ein erstes eigenes Konzert (d. h. mit ausschließlich eigenen Kompositionen) im Saal der renommierten Gesellschaft der Musikfreunde statt. Das Programm wies eine dem damaligen Zeitgeschmack entsprechende bunte Abfolge auf:


1. Satz der 1. Symphonie in Es
Rastloses Wandern
Zwei Lieder aus [der Oper] Enzio
Deklamation
Waldreise
Deklamation
Chor aus [der Oper] Bruno mit obligater Baßstimme
Menuett, 3. und 4. Satz aus der 1. Symphonie in Es

Der Komponist trat an diesem Abend, unterstützt von weiteren Künstlern, als Sänger und Pianist auf. In der "Wiener Moden Zeitung" war über den "ehrenwerthen Beweis seines Fleißes" und über sein "unermüdetes Fortschreiten" zu lesen; überdies wurde die ausdrucksvolle Interpretation des geschätzten Liedsängers hervorgehoben. Die Symphonie "macht dem Talente wie dem Fleiße des Tonsetzers gleiche Ehre". (Zitate und nähere Angaben zum Konzert in: Adolfine G. Trimmel/Erich Wolfgang Partsch, "Benedict Randhartinger (1802-1893). Ein Komponist aus Ruprechtshofen." Ruprechtshofen 1995, 30 f.)

Im Jahre 1836 entstand die erste große Messe für den Hof - nahezu zeitgleich mit dem Einrücken in die "Wirklichkeit", d. h. mit der Verleihung einer definitiven, besoldeten Anstellung als Tenorsänger. Randhartinger erhielt ab diesem Zeitpunkt im Jahr 800 Gulden zuzüglich 120 Gulden Quartiergeld.
Die musikalische Tätigkeit beschränkte sich aber keineswegs auf Wien allein, sondern reichte - zweifellos in Zusammenhang mit den guten Kontakten zur Familie Széchényi - nach Ödenburg (Sopron). Randhartinger wirkte in Konzerten des dortigen Musikvereins mit. So stand beispielsweise am 10. März 1837 "auf Verlangen" "Die nächtliche Heerschau" auf dem Programm. In einem anderen Konzert wiederum trug er Schuberts "Forelle" vor.
Ab 1838 war der Künstler auch in der Hofoper als Dirigent zu erleben. Er vermochte seine Position in der musikalischen Öffentlichkeit weiter auszubauen; so wurden dem erfolgreichen Hofmusiker gerne Kunst- und Erholungsreisen - darunter nach Deutschland und in die Schweiz - bewilligt. Auch Auszeichnungen bestätigten seinen Status: So bekam er für seine erste Messe in C-Dur eine "12 Dukaten schwere Künstlermedaille auf Kosten der Ah. Privatkaßa" überreicht.
1844 erfolgte ein entscheidender Sprung in der Karriere bei Hof. Er wurde zum dritten, "überzähligen" Vizehofkapellmeister ernannt. Im selben Jahr schloss er ein umfangreiches Werk ab, das in einen ungewohnten Bereich führte, nämlich die Vertonung der gesamten griechisch-orthodoxen Jahresliturgie für die Kirche am Wiener Fleischmarkt. Diese Sammlung umfasst sechs Bände, wurde auch in anderen Kontinenten verwendet und blieb in der Wiener griechisch-orthodoxen Kirche bis 1945 in der Liturgie lebendig.
Zwei Jahre später folgte ein wichtiges privates Ereignis, die Heirat mit der 24jährigen Ernestine Richter, der Tochter eines Mannheimer Philosophieprofessors. Monate zuvor hatte er seiner plötzlich verstorbenen Braut Maria Richter, Ernestines Schwester, sein erstes Requiem gewidmet. Randhartingers Ernennung zum "wirklichen" Vizehofkapellmeister bot damals eine gute materielle Absicherung. (Die Tochter Maria Anna Ernestine, 1851 geboren, heiratete später den berühmten Klavierfabrikanten Friedrich Ehrbar.)
In seiner neuen Funktion hatte Randhartinger auch die beliebten Hofkonzerte zu planen und zu organisieren. Er versuchte dabei neue Akzente zu setzen, indem er berühmte Künstler (unter ihnen Franz Liszt, Clara Wieck und Jenny Lind) einlud. Natürlich wirkte Randhartinger ebenfalls bei vielen Konzerten mit, und zwar in erster Linie als Klavierbegleiter. In den attraktiven Programmfolgen wurden auch eigene Kompositionen eingestreut.

Die hohe soziale Position dokumentieren seine Funktionen als Praeses-Stellvertreter der Akademie der Tonkunst sowie als Leiter der traditionsreichen Tonkünstler-Societät. Im weiteren trat er als Initiator des Beethoven-Denkmals in Wien-Heiligenstadt auf. Sein Ruf war auch im Ausland gefestigt, so erhielt er beispielsweise 1857 vom schwedischen Königshof eine goldene Medaille als Dank für eine Komposition.

Als 1862 der amtierende Hofkapellmeister Ignaz Assmayr starb, war die "logische" Nachfolge Randhartingers nicht weiter verwunderlich. Dennoch ist es als Ironie des Schicksals zu bezeichnen, dass diese Berufung im Grunde zu spät erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt nämlich war die Epoche des erfolgreichen Künstlers bereits im Schwinden, eine "alte" Zeit, der neue Weltkonzepte und ästhetische Vorstellungen entgegenstanden. Überdies war der neue Hofkapellmeister nicht die Persönlichkeit, die neuen Strömungen mitzumachen. Er wurde gewissermaßen zu einem "Relikt", und im aufstrebenden Johann Herbeck erwuchs ihm ein ernsthafter Konkurrent. Einflussreiche Kreise unterstützten den Reformer Herbeck, und Randhartingers Abschied wurde recht rasch vorangetrieben. Ein fehlerhafter Auftritt der Hofmusikkapelle - ein sogenannter "Schmiss" - bei einem offiziellen Anlass 1866 war nur mehr der äußerliche, höchstwillkommene Grund für eine regelrechte (und in dieser Form völlig ungebräuchliche) Zwangspensionierung. Am 29. April 1866 trat Randhartinger zum letzten Mal als Dirigent auf. Da es zu dieser Zeit ja keine Altersversorgung gab, wurde er mit vollem Aktivgehalt pensioniert. Als Abschiedsgeschenk erhielt er noch das Ritterkreuz des Kaiser Franz Joseph-Ordens. Die Art und Weise des Abschieds bei Hof führte dazu, dass sich der Künstler vollkommen ins Privatleben zurückzog. In seinen verbleibenden 27 Lebensjahren widmete er sich dem Ordnen und Revidieren seiner Werke und komponierte noch weiter. In signierten Autographen scheinen Mauer, Hadersorf-Weidlingau, Gresten sowie Puchberg am Schneeberg als Aufenthaltsorte auf. Zuletzt wohnte das Ehepaar im Sommer in Hart bei Gloggnitz, wo Tochter und Schwiegersohn eine Villa besaßen. Ein weiterer Aufenthaltsort war das Haus Ehrbar in der Mühlgasse in Wien.
Einzelne Auszeichnungen wurden ihm in diesen späten Jahren noch zuteil, unter anderem die Ehrenmitgliedschaft des Cäcilienvereines und die Schubert-Medaille des Wiener Männergesangvereines. Anlässlich des 80. und 90. Geburtstages erinnerte man sich öffentlich des Künstlers, der ja noch Beethoven und Schubert persönlich gekannt hatte, und sozusagen aus einer alten, längst entschwundenen Epoche stammte.( Siehe besonders: "Der letzte Freund Schuberts", in: Illustriertes Wiener Extrablatt 29. Juli 1892.)

Am 23. Dezember 1893 starb Randhartinger an Altersschwäche in Wien.

Benedict Randhartingers Werke:
Randhartinger, der im Biedermeier mit Schubert zu den bekanntesten Komponisten Wiens zählte, hinter-ließ über 2.000 Werke, die zum Teil heute noch ungedruckt sind.
Seine Musik besticht durch ausgeprägte Melodik, überraschende kompositorische Einfälle und geschickte Instrumentation.

17 Messen für Soli, Chor und Orchester
1 achtstimmige Vokalmesse mit Orgelbegleitung
2 Requien und kleinere Kirchenmusikkompositionen
2 Opern
2 Symphonien
Vertonung der griechisch-orientalischen Jahresliturgie
Mehr als 800 Lieder und Chöre
Über 1000 kleinere Werke für Orchester, kammermusikalische Besetzungen und einzelne Instrumente

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